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Spärlich bewachsene Schotterflächen von Wildflüssen der Alpen
Auch in den deutschen Alpen und im Alpenvorland gibt es noch natürliche und naturnahe Flüsse mit großflächigen Schotterbänken. Typisch für diesen Lebensraum sind regelmäßige Überschwemmungen und Umlagerungen durch Frühsommerhochwasser (Schneeschmelze), welche den Verlauf des Flussbettes und die Anordnung der Schotterbänke immer wieder verändern.
Generell sind im Alpenraum die Niederschläge im Sommer sehr hoch und theoretisch können zu jeder Zeit Hochwasserereignisse auftreten die widerum dazu führen, dass sich der Verlauf des Flusses immer wieder ändert. In alpinen Flüssen ist die Wassertemperatur meist niedrig, Sauerstoffgehalt und Fließgeschwindigkeit hoch. Das Bachbett hat vorwiegend gröbere Substrate, unter natürlichen Abflussbedingungen bildet sich jedoch ein Mosaik verschiedener Substratsortierungen aus, wobei auch Schlick und Sandbereiche vereinzelt vorzufinden sind.
Die Artengemeinschaft in den alpinen Bächen ist sehr artenreich und sehr anspruchsvoll, d.h. viele Arten benötigen genau diese Bedingungen und können in anderen Lebensräumen nicht überleben. Vornehmlich handelt es sich um Wasserinsekten aus den Gruppen Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen und Wasserkäfer, wobei die Gemeinschaft generell strömungsliebend ist und ihre Nahrung aus dem Wasser filtriert. Eine Besodnerheit ist darüber hinaus ein mehr oder weniger tiefes wassergefülltes Lückensystem im Untergrund des Flussbettes. Dies ist ein eigenständiger Lebensraum für Larven und Kleinlebewesen.
Im Gegensatz zu alpinen Bächen, kann sich in alpinen Flüssen eine artenreichere Fischgemeinschaft ausbilden. Neben Bachforelle und Groppe kommen weitere typische Arten hinzu, z.B. Äsche, Döbel, Nase und Barbe.
Am Ufer der schnell fließenden Gewässer findet man eine krautige Vegetation von sogenannten "Alpenschwemmlingen" wie z. B. Fleischers Weidenröschen (Epilobium fleischeri, Foto rosa), Alpen-Leinkraut (Linaria alpina), Blaugrüner Steinbrech (Saxifraga caesia), Gämskresse (Hutchinsia alpina) und Alpen-Knorpellattich (Chondrilla chondrilloides. Pflanzenarten, die man sonst nur in Schotterfluren und an Felsen der höheren Gebirge findet. Es handelt sich um einen Pionierlebensraum, der fast pflanzenfrei ist und immer wieder seine Gestalt ändert. Kennzeichnend für diesen Lebensraum sind die vorwiegend vegetationsfrei erscheinenden Schotter-, Kies- und Sandflächen, welche ein bedeutender Lebensraum auch für verschiedene Tierarten sind.
Ändert sich durch ein Hochwasser der Flussverlauf grundsätzlich, so dass dieser Lebensraum eine zeit lang von der Hochwasserdynamik ausgeschlossen wird, entwickelt er sich langsam zu einem von Weiden und der Deutschen Tamariske dominierten Lebensraum.
Sehr charakteristische ist auch die Tier-Artengemeinschaft am Ufer solcher Flüsse. Hier sind insbesondere Laufkäfer, Kurzflügelkäfer und Spinnenarten zu nennen. Unter den Laufkäfern leben hier - und nur hier noch - viele gefährdete Arten der Käfergattung Bembidion (B. confome, B. ascendens, B. pseudascendens, B. distinguendum, B. terminale, B. andreae, B. varicolor). Auch unter den Kurzflügelkäfern leben dort zahlreiche Arten, welche in Deutschland besonderen Schutz genießen. Die größte Spinne Deutschlands - die seltene Flussuferwolfspinne (Arctosa cinerea) - lebt ebenfalls hier.
Auf dem Fluss und den Schotterflächen leben Vogelarten wie Wasseramsel, Gänsesäger, Flussregenpfeifer und Flussuferläufer.
Verbreitung
In Deutschland sind die alpinen Flüsse mit krautiger Ufervegetation auf die Alpen und das Alpenvorland beschränkt. Historisch waren an allen Alpenwildflüssen natürliche Schotterbänke vorhanden, heute sind die bedeutendsten Reste an der Isar zu finden. Weitere Flüsse sind Iller, Stillach, Neidernach und Osterach.
Natura 2000 Lebensraumtyp
Dieser Biotoptyp ist ein europaweit besonders geschützter Lebensraum! Natura 2000 - Code: 3220
"Alpine Flüsse mit krautiger Ufervegetation" sind ein eigenständiger Lebensraumtyp, der auf Anhang I der FFH-Richtlinie gelistet ist und zu dem dieser Biotoptyp zuzuordnen ist.
© Verbreitungskarte. Quelle: BfN/BMUB 2019: Nationaler Bericht Deutschlands nach Art. 17 FFH-Richtlinie; basierend auf Daten der Länder und des Bundes. Datengrundlage: Verbreitungsdaten der Bundesländer und des BfN.
Ökologie
Dieser Lebensraum wird sehr durch die Hochwasserdynamik geprägt und ist in der Entstehung und Erhaltung auf eine natürlich Abflussdynamik angewiesen, dazu gehören insbesondere natürliche Hochwasserereignisse und eine unbeeinträchtigte Geschiebeführung (Steine und Sedimente im Fluss).
Für den Menschen erscheinen diese Ereignisse oft als Katastrophen, die Tier- und Pflanzenwelt ist jedoch auf solche Ereignisse angewiesen. Arten der krautigen Uferbereiche an diesen Flüssen sind sehr gut angepasst, würden aber bei ausbleibender Dynamik schnell durch konkurrenzstärkere Arten verdrängt, welche dann aus dem Umland einwandern. Nur regelmäßige Überschwemmungen halten diese Arten auf Distanz.
Die angepassten Arten verfügen über zahlreiche Lebensstrategien, die ihnen einen Aufenthalt sehr gut ermöglichen. Es verwundert nicht, dass z.B. sehr viele Laufkäfer-, Spinnen- und Ameisenarten an diesen letzten verbliebenenen naturnahen Flussabschnitten auch auf der Roten Liste der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten aufgeführt sind. Dieser Lebensraum ist in Deutschland sehr selten geworden und mit ihm auch die angepassten Arten, welche nur hier vorkommen.
Gefährdung
Hauptgefährdungsursachen für die letzten verbliebenen Flussabschnitte sind der Fließgewässerausbau mit Staustufen, Uferverbau und -befestigungen, Sohlverbau, Gewässerbegradigung sowie Stromgewinnung. In manchen Fällen stellen Wasserentnahme, Nährstoffanreicherung und Sand- und Kiesabbau Gefährdungen dar.
Man muss sich vor Augen halten, dass sich auch nur ein Eingriff im Oberlauf unmittelbar auf den gesamten weiteren Flussverlauf auswirken kann: eine Staustufe reguliert den Abfluss und hält das Geschiebe zurück und dies für den geamten weiteren Flussverlauf bis zur Mündung.
Für den Lebensraum ist keine Pflege erforderlich. Es gilt die natürliche Fließgewässerdynamik uneingeschränkt zu erhalten, d.h. natürliche Wasserstandsschwankungen und auch Extremereignisse wie "Jahrhunterhochwasser". Jeder weitere Ausbau sollte angesichts der hohen historischen Verluste unterbleiben. Es besteht die Notwendigkeit der Entwicklung (z. B. Rückbau von Staustufen, Uferverbau). Dies unterstützt auch den Hochwasserschutz an Unterläufen.
Unser Kommentar
Aus den Medien kennt man die Fotos, wenn an den Flüssen im Alpenvorland katastrophale Hochwasser auftreten und erheblichen Schaden auf landwirtschaftlichen Flächen und in den Siedlungen des Menschen anrichten. So dramatisch solche Ereignisse für den Menschen sind, für die angepassten Tier- und Pflanzenarten der Wildflusslandschaften sind sie in der Regel nicht bedrohlich. Im Gegenteil: durch raffinierte Anpassungsstrategien können die Arten sehr gut mit der "Katastrophe" zurecht kommen und profitieren am Ende sogar von den neu entstandenen Lebensräumen. Für diese Arten wäre das Ausbleiben der Hochwasserereignisse eine schlimme Katastrophe.
Tagfalter in diesem Lebensraum
Fliegen in diesem Lebensraum
Libellen in diesem Lebensraum
Amphibien & Reptilien in diesem Lebensraum
Süßwasserfische in diesem Lebensraum
Säugetiere in diesem Lebensraum
Heuschrecken in diesem Lebensraum
Wanzen in diesem Lebensraum
Referenzlisten: