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Naturnaher Fluss (GeStrG 1-2)
Flüsse, bei denen die Struktur von Gewässerbett und Überschwemmungsbereich als naturnah eingestuft werden
Biotoptypen werden häufig anhand ihrer Pflanzengemeinschaften abgegrenzt. Dies stößt an Grenzen, wenn man Lebensräume vorfindet, die regelmäßig auch ganz ohne oder nur mit kaum nennenswerten Beständen (höherer) Pflanzenarten auftreten. Fließgewässer sind ein wichtiges Beispiel für diese Gruppe, da diese insbesondere bei erhöhtem Gefälle und natürlichem Ablfussregime wenigstens zeitweilig ohne Pflanzenbewuchs sind. Es hat sich daher durchgesetzt, Fließgewässer (und ihre Umgebung) auch anhand morphologischer Kriterien zu bewerten. Die Gewässerstrukturgüte (GeStrG) unterscheidet vom unveränderte Gewässerabschnitt (1: naturnah) bis zum vollständig veränderte Gewässerabschnitte (7: übermäßig geschädigt) sieben Güteklassen.
Mit naturnahen Flüssen (GeStrG 1-2) sind Fließgewässer gemeint, welche eine gewisse Größe hinsichtlich Breite (ca. 10m) und auch Abflussmenge erreicht haben und somit andere Bedingungen für die darin lebenden Organismen anbieten, als in einem Bach. Diese Definition beschreibt morphologische Kriterien uns sie würde beispielsweise auch für die auf dieser Website aufgrund der vorhandenen Pflanzen getrennt aufgeführten Fließgewässer mit flutendem Hahnenfuß gelten.
Es ist nicht so einfach, zu beschreiben, wie natürliche Flüsse aussehen. Das hängt damit zusammen, dass viele von ihnen bereits in sehr früher Zeit durch menschliche Aktivitäten im Abfluss verändert wurden und man heute fast nur noch eine stark beeinträchtigte Flussstruktur sieht; Flüsse mit nur einem Flussbett, einheitlich strukturiertem Untergrund und ohne nennenswerte Übergangsbereiche zum Umland. Das dies einmal anders war, sieht man meistens anhand historischer Karten oder sonstigen historischen Überlieferungen. Naturnahe Flüsse verlaufen natürlicherweise wohl mehr oder weniger gewunden oder mäandrierend, nicht selten können sich auch Nebengerinne ausbilden. Das Substrat kann sehr variabel sein, wobei die dominierenden groben Substrate sich in schnell fließenden Bereichen und feinere Substrate sich in strömungsberuhigten Bereichen konzentrieren. Vor allem naturnahe Mittelgebirgsflüsse können auch Kies- oder Schotterbänke ausbilden. Charakteristisch ist die Vielfalt mit wechselnden Strömungsverhältnissen und auch Substraten. Im Gegensatz zu den Bächen kann bei Mittelgebirgsflüssen - grobes Substrat vorrausgesetzt - ein mehr oder wenig tiefes wassergefülltes Lückensystem im Untergrund des Flussbettes entstehen, d.h. ein eigenständiger Lebensraum für Larven und Kleinlebewesen. Naturnahe Flüsse können darüber hinaus in einer Weichholzaue mit Weiden und Erlen eingebettet sein.
Bei ausreichender Wasserqualität und günstigem Substrat kann sich auch ein Fließgewässer mit umfangreiche Wasserpflanzenbewuchs ausbilden. Wie bei allen Fließgewässern muss man bei den Tiergemeinschaften zuerst die Wasserinsekten nennen. Es handelt sich um Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen und Wasserkäfer. Es gibt auch typische Muschelarten, wie die Gruppe der Erbsenmuscheln (Pisidium) oder Kleine Flussmuschel (Unio crassus).
Unter den Fischen können Äsche, Barben, Döbel, Gründling, Hasel, Schmnerle, Barsch, Brachse, Rotauge, Ukelei, Schneider und Aal in Gewässern diesen Typs auftreten. Im Rhein-Einzugsgebiet kann auch der Lachs in diesem Lebensraum durchwandern. Eisvogel, Flussuferläufer, Flussregenpfeifer und Gänsesäger sind typische Vogelarten in unmittelbarer Wassernähe. Weidenmeisen leben in alten Höhlen von Weiden und Erlen.
Bildergalerie von typischen Pflanzenarten in diesem Lebensraum
Verbreitung
Naturnahe Flüsse sind in Deutschland deutlich seltener anzutreffen, als naturnahe Bäche. Per Definition sind sie im weiteren Verlauf eines Fließgewässers zuzuordnen und hier steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch sie beeinträchtigt hat.
Natura 2000 Lebensraumtyp
Dieser Biotoptyp ist ein europaweit besonders geschützter Lebensraum! Natura 2000 - Code: 3260
"Naturnahe Flüsse" können - per Definition - die Kriterien erfüllen, welche eine Zuordnung zum Lebensraumtyp 3260 der FFH-Richtlinie erlauben. Konkret, wenn es sich um naturnahe Abschnitte handelt, die einen Bewuchs von flutenden Wasserpflanzen erlauben (vgl. Fließgewässer im Mittel- und Unterlauf mit flutendem Hahnenfuß ). Die Verbreitungskarte ist daher nicht identisch mit der Verbreitung dieses Biotoptypes. Sie zeigt einerseits auch Fließgewässer, welche kleiner sind, also eher als "Bäche" und nicht "Flüsse" zu bezeichnen wären, andererseits gibt es naturnahe Flüsse, welche keine Vegetation aufweisen.
© Verbreitungskarte. Quelle: BfN/BMUB 2019: Nationaler Bericht Deutschlands nach Art. 17 FFH-Richtlinie; basierend auf Daten der Länder und des Bundes. Datengrundlage: Verbreitungsdaten der Bundesländer und des BfN.
Gefährdung
Alle Fließgewässer sind durch Eingriffe in Abflussverhalten und Geschiebefracht sowie durch Stoffeinträge gefährdet. Dies kann durch Längs- und Querverbauungen in Form von Dämmen, Stauwehren oder Uferbefestigungen geschehen, auch unmittelbare Substratentnahme (Kies, Schotter) kann ein Problem darstellen. Selbstverständlich wirken sich auch Verrohrungen und Befestigungen des Flussbettes auf die Lebensgemeinschaften aus.
Bei Belastungen von Fließgewässern muss man sich immer vor Augen führen, dass die Folgen nicht auf den Ort des Ereignisses begrenzt bleiben, sondern quasi alle weiteren Abschnitte Flussabwärts betroffen sind. Ein Giftunfall im Oberlauf kann die Artengemeinschaft im gesamten Fluss abtöten und Änderungen an der Geschiebefracht wirken sich noch dutzende von Kilometern weiter flussabwärts negativ aus. Fast alle Mittelgebirgsflüsse in Deutschland waren und sind mehr oder weniger starken Verbauungen ausgesetzt. Auch Einleitungen von Abwassern haben über Jahrzehnte zu einer Verarmung der Artengemeinschaften geführt. Hier ist auch die Belastung durch die Landwirtschaft zu nennen, welche teilweise bis an die Bachränder reicht. Pestizide und Dünger, welche auf die Flächen ausgebracht wurden oder feine Substrate, welche von Ackerflächen ausgewaschen werden, beeinträchtigen die Wasserqualität.
Andererseits ist die Wasserqualität heutzutage durch Umweltschutzmaßnahmen vielerorts schon deutlich besser geworden, z.B. durch die Anbindung der Häuser an Kläranlagen oder das Verbot bis nahe an die Flüsse Landwirtschaft zu betreiben. In den letzten Jahren konnte man deshalb das Augenmerk noch stärker auf Verbesserungen der Struktur von Mittelgebirgsflüssen legen, also dafür Sorge zu tragen, dass Flussverlauf und Substratfracht den natürlichen Verhältnissen eher entsprechen. Der Rückbau von Baumaßnahmen wie Uferbefestigungen, Querbauwerken oder Verrohrungen ist bei Mittelgebirgsflüssen meistens recht aufwändig, aber in jedem Fall anzustreben, sofern irgendwie möglich. Das alles kommt der Lebensgemeinschaft der Mittelgebirgsflüsse zu Gute.
Libellen in diesem Lebensraum
Amphibien & Reptilien in diesem Lebensraum
Süßwasserfische in diesem Lebensraum
Säugetiere in diesem Lebensraum
Wanzen in diesem Lebensraum
Referenzlisten: