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Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis)

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Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis)

Die Europäische Sumpfschildkröte erreicht je nach Unterart und Geschlecht eine Rückenpanzerlänge von weniger als zwölf Zentimetern beziehungsweise mehr als 20 Zentimetern, wobei nördliche und östliche Unterarten im Allgemeinen größer werden als südliche. Adulte Tiere weisen einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus auf, wobei die Weibchen größer werden als die Männchen, ihr Gewicht bewegt sich meist zwischen 400 und 700 Gramm. Es kann jedoch in Ausnahmefällen auch ein Gewicht von bis zu 1500 Gramm erreicht werden.

Die Färbung der Tiere ist ebenfalls sehr variabel. Gewisse Zeichnungselemente können für einzelne Unterarten typisch sein. Der oft dunkle, braune oder schwarze Rückenpanzer (Carapax) kann ein Muster aus feinen gelben Punkten oder Linien tragen, die oft auf den einzelnen Schilden von einem Zentrum ausstrahlend angeordnet sind. Es gibt aber auch Formen mit dunkler Zeichnung auf hellem Hintergrund. Der Bauchpanzer (Plastron) kann einheitlich gelb, wolkig gefleckt, gesprenkelt, dunkel oder sogar völlig schwarz sein. Meistens zeichnet er sich jedoch durch ein schwarzes Zentrum aus. Die Gliedmaßen und der Hals sind dunkelbraun bis schwarz gefärbt und weisen häufig ebenfalls gelbe Zeichnungselemente auf. Der Panzer der Europäischen Sumpfschildkröte ist oval und eher flach, bei den Weibchen ist er etwas stärker gewölbt als bei den Männchen. Bauchpanzer und Rückenpanzer sind im Bereich der so genannten Brücke durch eine flexible Knorpelschicht und elastisches, häutiges Gewebe miteinander verbunden. Die mittlere Naht des Bauchpanzers entwickelt sich bei älteren Tieren zu einem Scharnier, das dem vorderen Plastron-Lappen eine gewisse Beweglichkeit ermöglicht. Gliedmaßen und Schwanz sind von groben Schuppen bedeckt, die Haut von Kopf und Hals ist glatt. Hinter dem Kopf, der breiter als der Hals ist, sieht man eine Hautfalte, die beim Einziehen eine taschenartige Hülle bildet. Das Vorderende des Kopfes ist von oben betrachtet spitzwinklig und die Kiefer tragen unbezahnte scharfe Hornschneiden. Die seitlich im vorderen Bereich des Kopfes sitzenden Augen haben eine runde Pupille. Die Augenfärbung kann je nach Geschlecht unterschiedlich sein: adulte Männchen haben bei einigen Unterarten, insbesondere bei der Nominatform Emys orbicularis orbicularis, eine rötliche Iris, doch meistens haben sie eine bräunliche Irisfärbung vorzuweisen. Die Iris der Weibchen jedoch ist in den meisten Fällen gelb. Zwischen den fünf Zehen der Vorderbeine und den vier der Hinterbeine spannen sich Schwimmhäute. Alle Zehen sind außerdem mit einer Kralle versehen, wobei besonders die Vorderkrallen bei den Männchen deutlich stärker gekrümmt sind.

Die Europäische Sumpfschildkröte gehört zu den langschwänzigen Schildkrötenarten. Besonders ausgeprägt ist das bei Schlüpflingen, aber auch bei ausgewachsenen Tieren erreicht der Schwanz noch die Länge des halben Panzers. Bei männlichen Tieren ist die Schwanzwurzel verdickt, die Kloake liegt deutlich hinter dem Rückenpanzer-Rand.

Verbreitung

Verbreitung Emys orbicularis

Die Sumpfschildkröte ist extrem selten und es gibt vorwiegend Vorkommen in Brandenburg, Hessen und Baden-Württemberg. Viele ursprüngliche Vorkommen von Sumpfschildkröten sind erloschen und man geht davon aus, dass lediglich in Brandenburg noch Populationen leben, welche von ehemals viel verbreiteteren natürlichen Beständen übrig geblieben sind. Bei den übrigen Populationen vermutet man, dass sie auf gezielte oder "unkontrollierte" Aussetzungsaktionen zurückzuführen sind. So gab es beispielsweise in Hessen, gezielte Wiederansiedlungsprojekte der Sumpfschildkröte.

© Verbreitungskarte. DGHT e.V. (Hrsg. 2014): Verbreitungsatlas der Amphibien und Reptilien Deutschlands, auf Grundlage der Daten der Länderfachbehörden, Facharbeitskreise und NABU Landesfachausschüsse der Bundesländer sowie des Bundesamtes für Naturschutz.


Ökologie

Paarung

Bei der Paarung Je nach geographischer Lage und Geschlecht variiert der Eintritt der Geschlechtsreife bei den Europäischen Sumpfschildkröten sehr stark. Männchen in Südspanien werden bereits mit vier Jahren geschlechtsreif, Weibchen in kälteren Regionen dagegen teilweise erst mit 18 Jahren, im Mittel liegen die Werte bei 8 bis 10 Jahren. Die Paarungsaktivitäten beginnen im zeitigen Frühjahr, oft schon im Februar oder März nach Beenden der Winterstarre. Die Männchen treiben die Weibchen ins Wasser, steigen auf und klammern sich am Rückenpanzer fest. Mit schwingenden Kopfbewegungen und Schnappen bringen sie die Weibchen dazu, den Kopf einzuziehen. Das führt dazu, dass die Kloake weiter aus dem Panzer ragt, so dass der Penis eingeführt werden kann.

Eiablage

Die Eiablagen finden überwiegend im Laufe des Juni statt, wobei die Weibchen meist jedes Jahr zu denselben Ablageplätzen wandern. Auf der Suche nach einem geeigneten Eiablageplatz können sie große Strecken zurücklegen, in der Regel sind die Nester aber weniger als 500 Meter von ihrem normalen Aufenthaltsgewässer entfernt. Für die Eiablage werden trockene, sandige, der Sonnenwärme ausgesetzte Stellen benutzt, die nur schwachen Bewuchs aufweisen. Nach Süden orientierte Hänge, Böschungen, Waldränder etc. werden bevorzugt. Gelegentlich werden auch weniger geeignete Stellen mit feuchtem oder schlammigem Boden aufgesucht, sogar Äcker oder ungeteerte Straßen werden nicht verschmäht. Die Eiablage findet in den Nachmittags- und Abendstunden sehr warmer Tage statt. Zuerst wird mit den Hinterbeinen eine etwa zehn Zentimeter tiefe Nesthöhle ausgegraben, die sich unter einer engen Öffnung birnenförmig erweitert. Harter Boden kann mit Wasser aufgeweicht werden, das die Schildkröte in ihren Analsäcken mitführte. Nach der Ablage wird das Nest sorgfältig verschlossen und der Boden verfestigt, so dass die Stelle nur noch für kurze Zeit an der etwas dunkleren Färbung der Erde zu erkennen ist. Die Gelege umfassen im Durchschnitt 9 bis 15 Eier, aber auch Gelege mit mehr als 20 Eiern wurden schon gefunden. In den nördlichen Teilen des Verbreitungsgebietes ist die durchschnittliche Anzahl Eier pro Ablage größer, in den südlichen ist sie kleiner, dafür folgt dort meist ein zweites Gelege im Sommer. Die Eier sind etwa 20 bis 25 Millimeter lang und sechs bis zehn Gramm schwer.

Schlupf

Die Jungtiere schlüpfen im Spätsommer nach etwa 80 bis 120 Tagen mit einer Panzerlänge (SCL) von durchschnittlich 2–3 cm und einem Gewicht von 4 bis 6 Gramm. Mit Hilfe des Eizahnes auf der Schnauzenspitze ritzen sie die Schalen in der Nähe eines Ei-Poles an und strecken zunächst Nase und ein Vorderbein heraus, anschließend wird die restliche Schale mit den Vorderbeinen weggedrückt. Der gesamte Schlupfvorgang dauert mehrere Stunden, und die Schlüpflinge verharren meist auch danach noch einige Zeit in der Nisthöhle. In den nördlichen Arealteilen überwintern sie teilweise sogar darin. Nach Verlassen des Nestes suchen sie das nächstliegende Gewässer auf und halten sich dort bevorzugt in dichter, schützender Unterwasservegetation auf.

Ernährung

Die Europäische Sumpfschildkröte ernährt sich vor allem von Schnecken, Krebstieren, Insektenlarven und anderen wirbellosen Tieren. Aber auch Kaulquappen, tote Fische oder Aas werden gerne angenommen. Größere Brocken packt sie mit ihren hornigen Kiefern und reißt sie mit den Klauen der Vorderbeine in Stücke, die sie ganz verschlingt. Entgegen den meisten Angaben in der Literatur ist sie nicht nur karnivor, sondern nimmt in allen Altersstufen durchaus auch Wasserpflanzen zu sich, beispielsweise Wasserpest, Algen und Wasserlinsen. Im Kot wurden auch Samen der gelben Teichrose gefunden, wobei nicht ganz klar ist, ob diese zufällig mit anderem Futter aufgenommen wurden. Die Europäische Sumpfschildkröte ist gelegentlich auch auf dem Land auf Beutesuche anzutreffen, frisst aber ausschließlich im Wasser. Das hängt damit zusammen, dass sie nur unter Wasser schlucken kann. Zum Fressen hält sie größere Nahrung mit den Vorderbeinen fest und reißt Stücke ab. Zum Schlucken stößt sie ruckartig den Kopf vor, und der dabei eintretende Wasserstrom spült den Nahrungsbrocken in den Hals.

Überwinterung

Die Überwinterung erfolgt im Wasser, das heißt, das Tier begibt sich auf den Grund eines Teiches und fällt dort in die sogenannte Winterstarre, wobei die Nahrungsaufnahme eingestellt und der Stoffwechsel stark reduziert wird. Die Atmung erfolgt nicht mehr über die Lunge, sondern über die Haut.

Gefährdung

Die Schlüpflinge und Jungtiere haben zahlreiche Feinde: Wildschwein, Dachs, Fuchs und andere graben die Gelege aus. Krähen, Raben, Elstern, Reiher und andere große Vögel verfolgen die Schlüpflinge. Katzen und Hunde verschleppen sie. Sogar ein Milan wurde schon mit einer Schildkröte in den Klauen beobachtet. Sobald die Jungtiere im Wasser sind, warten Hecht und Wels auf die Beute. Erwachsene Tiere hatten dagegen bislang relativ wenige Fressfeinde. Insbesondere der Waschbär ist, neben einigen anderen Neozoen, in den letzten Jahren allerdings zu einem Problem für alle Entwicklungsstadien der Europäischen Sumpfschildkröte geworden. Dieser ist in der Lage, die Panzer selbst von ausgewachsenen Exemplaren zu öffnen.

Die Art ist jedoch vor allem durch die Folgen menschlicher Eingriffe in ihren Lebensraum bedroht: Trockenlegung von Sümpfen und Feuchtgebieten, Gewässerkorrekturen, die Zersiedelung der Landschaft und Zerstörung der Eiablageplätze setzen den Schildkröten stark zu. Während Emys orbicularis früher in großen Mengen als Fastenspeise gefangen und verzehrt wurde, ist der Straßenverkehr heute wohl die größte Gefahr. Auf der Suche nach Nistplätzen oder auf dem Weg zurück in das Gewässer werden die Weibchen bei der Überquerung von Straßen häufig überfahren. Auch die Fischerei hat dort, wo sie mit Reusen betrieben wurde, viele Opfer gefordert, denn die Schildkröten ertrinken in den Fischreusen unweigerlich. Die IUCN stuft die Europäische Sumpfschildkröte als gering gefährdet ein. In Deutschland gilt sie als vom Aussterben bedroht.

Unser Kommentar

Die Europäische Sumpfschildkröte ist eine extrem seltene Art. Oft sieht man in Parkteichen oder sonstigen Gewässern in Siedlungsnähe Schildkröten, die sich auf Steinen oder Baumstämmen sonnen. Hier handelt es sich jedoch in der Regel um ausgesetzte Rotwangenschildkröten, also nichtheimische Arten, welche in Teichen ausgesetzt wurden.

Lebensraum

Die Europäische Sumpfschildkröte lebt in stillen oder langsam fließenden Gewässern, im Uferbereich von Binnenseen, in Teichen, Gräben und den Altarmen von Flüssen. Im Süden des Verbreitungsgebietes werden auch Bäche besiedelt. Stark verkrautete, nährstoffreiche Gewässer mit schlammigem Grund werden bevorzugt. Selbst in schlammigen Viehtränken kann man sie gelegentlich finden. Aus dem Wasser ragende Äste, von Bibern gefällte Bäume, Wurzelstrünke und anderes Totholz werden zum Sonnenbaden benötigt, auch Grashorste, alte Nester von Wasservögeln und ähnliches werden zu diesem Zweck aufgesucht. Ebenfalls wichtig sind flache Stillwasserzonen, die durch die Sonne erwärmt werden können.

Für das Überleben der Europäischen Sumpfschildkröte hat es sich als problematisch erwiesen, dass in der Nähe ihrer Wohngewässer stets günstig exponierte, warme Sandhügel oder andere Trockenstandorte für die Eiablage vorhanden sein müssen. Ursprünglich waren die Schildkröten auch in offeneren Vegetationen mit steppenartigem Charakter beheimatet. Ideale Bedingungen findet die Schildkröte beispielsweise in den klaren Bächen des Bruchwaldes des Naturschutzgebietes Zarth im Naturpark Nuthe-Nieplitz in Brandenburg vor. Allerdings kann man sie etwa in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg auch in Söllen und Teichen inmitten von Agrarflächen finden. In Hessen existiert eine eigenständige Population am Reinheimer Teich, deren Nachzuchten im Frankfurter Zoo seit 2004 ausgesetzt werden; zudem befindet sich in der Bockenheimer Miquel-Anlage eine kleine Population.

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Kenndaten

Ordnung Testudinata
Familie Emydidae
Art Europäische Sumpfschildkröte
Wiss. Emys orbicularis
Autor (Linnaeus, 1758)
Rote Liste D 1
Häufigkeit sehr selten

Auftreten im Jahr

J F M A M J J A S O N D

Höhenverbreitung

Info Bundesländer


Online: https://www.deutschlands-natur.de/tierarten/amphibien-reptilien/europaeische-sumpfschildkroete/
Datum: 19.03.2024
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