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Beeinträchtige, renaturierungsfähige Hochmoore

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Beeinträchtige, renaturierungsfähige Hochmoore

Hochmoore, die meistens durch Torfabbau des Menschen beeinträchtigt wurden, aber noch viele naturnahe und typische Habitate haben

Renaturierungsfähige Hochmoore sind in Deutschland leider häufiger anzutreffen, als  noch unberührte lebende Hochmoore. Beeinträchtigungen entstanden durch Eingriffe in den Wasserhaushalt und Abtorfung (Foto, Abgrabungen mit wertvoller Artengemeinschaft). Sie sind dennoch sehr schützenswert, da degenerierte Hochmoore teilweise noch die natürlichen Artengemeinschaften der lebenden Hochmoore aufweisen und im Rahmen gewisser Grenzen wieder renaturierbar sind. Die Abgrenzung dieses Biotoptypes (und Auflistung auf dieser Website) ist daher nur aus Naturschutzsicht sinnvoll, aus vegetationskundicher Sicht kann dieser Biotoptyp nicht klar abgegrenzt werden, zumal es sich eher um einen "Biotopkomplex" handelt.

Bei entsprechenden Maßnahmen können sich diese geschädigten Hochmoore wieder in Richtung intakter Hochmoore entwickeln, auch wenn dies nicht schnell geht, sondern eine Frage von Jahrzehnten ist. Die Beeinträchtigung der Hochmoore zeigt sich in Pflanzenarten, welche sich unnatürlicherweise ansiedeln konnten und quasi als "Störungszeiger" auf Veränderungen im Ökosystem hinweisen. Dazu gehören z.B. das Blaue Pfeifengras (Molinia caerulea) oder großflächig auftretende Zwergsträucher wie die Glocken-Heide (Erica tetralix), welche in lebenden Mooren zu große Probleme mit der hohen Bodenfeuchtigkeit und dem geringen Nährstoffgehalt hätten und natürlicherweise fehlen würden.

Ansonsten ist die Ausstattung mit Tier- und Pflanzenarten ähnlich wie in Hochmooren, außer das die Anzahl oder flächenhafte Ausbreitung der Arten hinter denen des natürlichen Lebensraumes zurückbleiben: Neben den verschiedenen Torfmoos-Arten sind z.B. die Fleischfressenden Sonnentaue (Drosera rotundifolia, Drosera intermedia) typisch für Hochmoore. Sie ziehen aufgrund der nährstoffarmen Bedingungen einen Teil ihrer Nährstoffe aus Insekten, welche sich in den klebrigen Blättern verfangen und quasi verdaut werden. Weitere Pflanzenarten sind Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum), Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium), Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba), Rasenbinse (Trichophorum cespitosum), Blumenbinse (Scheuchzeria palustris), Moosbeere (Vaccinium oxycoccos) und Rauschbeere (Vaccinium uliginosum).

Unter den Insekten gibt es den typischen Hochmoor-Laufkäfer und die Schmetterlinge Hochmoor-Gelbling Moosbeerenbläuling (Vacciniina optilete), Moor-Perlmutterfalter (Boloria aquilonaris). Man findet auch verschiedene Moorlibellenarten wie Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea), Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica), Kleine und Nordische Moosjungfer (Leucorrhinia dubia, Leucorrhinia rubicunda), Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris), Arktische Smaragdlibelle (Somatochlora arctica) und in den Alpen die Alpen-Mosaikjungfer (Aeshna caerulea).

Die Kreuzotter ist ebenfalls eine typische Hochmoorart. Unter den Vögeln Schwarzkehlchen, Bekassine (Gallinago gallinago), Großer Brachvogel (Numenius arquata), Sumpfohreule (Asio flammeus), Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus) und Raubwürger (Lanius excubitor)

Bildergalerie von typischen Pflanzenarten in diesem Lebensraum

BesenheideBlaues PfeifengrasPreiselbeereRauschbeere

Verbreitung

Da die geschädigten Hochmoore aus ehemals lebenden Hochmooren hervorgegangen sind, ist die Verbreitung der beiden Lebensraumtypen vergleichbar. In Deutschland findet man naturnahe Hochmoore vorwiegend in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und besonders gut ausgeprägt am nördlichen Alpenrand. Leider ist die Ausdehnung degenerierter Hochmoore mittlerweile in Deutschland größer als die noch lebender Hochmoore.

Natura 2000 Lebensraumtyp

Verbreitung

Dieser Biotoptyp ist ein europaweit besonders geschützter Lebensraum! Natura 2000 - Code: 7120

"Beeinträchtige, aber renaturierungsfähige Hochmoore" sind ein eigenständiger Lebensraumtyp, der auf Anhang I der FFH-Richtlinie gelistet ist.

Entscheidend für die Zuordnung zu diesem Lebensraumtyp ist das Vorkommen von Hochmoorkernen, die zwar deutliche Zeichen einer Beeinträchtigung zeigen, aber wenigstens in Teilen noch die hochmoortypische von Torfmoosen dominierte Vegetation aufweisen. Neben beeinträchtigten primären Hochmoorkernen kann ein deutliches Moorwachstum in verlandenden Handtorfstichen als sekundärer Hochmoorkern gewertet werden. Torfmoos-Vegetation an Gräben ist kein Hochmoorkern. Das massive Eindringen von Pflanzenarten, die eine deutliche Veränderung der Trophie von den hochmoortypischen oligo-dystrophen hin zu meso- bis eutrophen Verhältnissen anzeigen, ist als Indiz einer irreversiblen Beeinträchtigung des Hochmoors zu werten. Bestände mit gravierenden Veränderungen im Wasserhaushalt mit nachfolgender Mineralisierung der Torfe und Erhöhung der Trophie sind als nicht regenerierbar einzustufen und daher auszuschließen. Damit sind großflächig maschinell abgetorfte und drainierte Flächen sowie großflächige Torfstiche ausgeschlossen.

© Verbreitungskarte. Quelle: BfN/BMUB 2019: Nationaler Bericht Deutschlands nach Art. 17 FFH-Richtlinie; basierend auf Daten der Länder und des Bundes. Datengrundlage: Verbreitungsdaten der Bundesländer und des BfN.


Gefährdung

Lebende Hochmoore sind - wie bereits erwähnt - extrem empfindliche Ökosysteme, die i.d.R. durch geringste Handlungen stark beeinträchtigt werden können. Bei dem hier beschriebenen Lebensraum handelt es sich um bereits beeinträchtigte Lebensräume. Deshalb ist es dringend erforderlich, die Bedingungen wiederherzustellen, welche vor der Beeinträchtigung geherrscht haben. Insbesondere im Fall von wasserbaulichen Eingriffen sollten Maßnahmen ergriffen werden, die dies wieder rückgängig machen. Im Fall von Torfabbau wird dies nicht mehr möglich sein und man muss warten, bis sich aus den verbliebenen Torfmoosen wieder eine Torfschicht bildet.

Generell gelten für noch renaturierungsfähige Hochmoore die Hinweise, welche auch bei den noch lebenden Hochmooren gegeben wurden: Jede Maßnahme, welche in den Wasserhaushalt eingreift, kann das Hochmoor zerstören. Furchtbar sind in dem Zusammenhang Abbautätigkeiten, um z.B. Torf für den Gartenbau abzubauen. Jedermann sollte sich im Klaren sein, dass er durch den Kauf von Torf Hochmoore irreparabel zerstört. Wenn auch dies in Deutschland kaum noch geschieht, schreitet die Zerstörung riesiger Flächen in Osteuropa weiter fort. Torf ist im Gartenbau ersetzbar und man kann an die Gartenbesitzer nur appelieren auf Alternativprodukte zurückzugreifen.

Neben diesem schwerwiegenden Punkt, kann auch Nährstoffeintrag von angrenzenden Flächen die typischen Artengemeinschaften verändern und zerstören. Hochmoore gehören zu den Lebensräumen, in denen eine Trittbelastung wirklich schädigend wirken kann. Die verbliebenen Reste naturnaher Hochmoore sollten deshalb vor dem direkten Zugang durch den Menschen geschützt werden. Als Kompromiss wurden in der Vergangenheit Bohlengänge in den Randbereichen angelegt, die es dennoch erlauben, sich einen Eindruck von der Besonderheit des Lebensraumes zu verschaffen; hier muss aber sehr vorsichtig vorgegangen werden und im Zweifelsfall sollte lieber auf derartige Maßnahmen versichtet werden bzw. "Bausünden" aus der Vergangenheit zurückgebaut werden. Die Wiedervernässung von bereits degradierten Hochmooren kann helfen, einen eingetretenen Prozess zu stoppen, auch wenn es nicht möglich ist, Bedingungen wiederherzustellen, die Jahrhunderte in der Entwickling benötigt haben.

Tagfalter in diesem Lebensraum

Typische Arten

Großes Wiesenvögelchen
(Coenonympha tullia)

Seltene Falterarten in moorigen Biotopen

Hochmoor-Bläuling
(Plebeius optilete)

Ein sehr seltener Moorbläuling

Hochmoor-Perlmutterfalter
(Boloria aquilonaris)

Ein seltener, oranger Tagfalter in Sümpfen und Hochmooren

Hochmoorgelbling
(Colias palaeno)

Ein seltener gelber Falter in Mooren

Rostfarbiger Dickkopffalter
(Ochlodes sylvanus)

Ein häufiger Dickkopffalter auf Blüten am Wegesrand



Weitere Arten

Admiral
(Vanessa atalanta)

Einer unser schönsten großen Tagfalter

Argus-Bläuling
(Plebeius argus)

Ein kleiner Bläuling mit Dorn am Schienbein

Braunfleckiger-Perlmutterfalter
(Boloria selene)

Ein noch regelmäßiger Gast auf feuchten und mageren Wiesen in Deutschland

Distelfalter
(Vanessa cardui)

Der Wanderfalter unter Alpenüberquerer unter unseren Tagfaltern

Faulbaum-Bläuling
(Celastrina argiolus)

Ein früh fliegender Bläuling unserer Laubwälder

Kleiner Feuerfalter
(Lycaena phlaeas)

Der kleinste und häufigste Feuerfalter in unserer Fauna

Kleiner Kohlweißling
(Pieris rapae)

Ein mittelgroßer Weißling mit Vorliebe für Kohlarten

Randring-Perlmutterfalter
(Boloria eunomia)

Ein Perlmutterfalter mit auffälliger Ringreihe auf den Unteflügeln

Rapsweißling
(Pieris napi)

Der häufigste Weißling unter Deutschlands Tagfaltern

Schwarzkolbiger Braundickkopffalter
(Thymelicus lineola)

Ein orangfarbener Dickkopffalter mit schwarzen Fühlerkolben

Spiegelfleck-Dickkopffalter
(Heteropterus morpheus)

Dunkler Dickkopffalter mit auffälligen Flügelunterseiten

Tagpfauenauge
(Inachis io)

Einer der schönsten Tagfalter Deutschlands

Wald-Wiesenvögelchen
(Coenonympha hero)

Sehr seltener Falter auf in lichten Wäldern

Zitronenfalter
(Gonepteryx rhamni)

Langlebiger Frühlingsbote, der harten Wintern trotzt


Fliegen in diesem Lebensraum

Libellen in diesem Lebensraum

Typische Arten

Alpen-Smaragdlibelle
(Somatochlora alpestris)

Metallisch schimmernde Großlibelle an alpinen Moortümpeln

Große Moosjungfer
(Leucorrhinia pectoralis)

Eine seltene Moorlibelle mit markantem Fleck auf dem Hinterleib

Kleine Moosjungfer
(Leucorrhinia dubia)

Eine schöne Libelle in moorigen Gebieten

Nordische Moosjungfer
(Leucorrhinia rubicunda)

Die Moorlibelle mit orange-rotem Muster

Scharlachlibelle
(Ceriagrion tenellum)

Feuerrote Kleinlibelle an moorigen Gewässern

Speer-Azurjungfer
(Coenagrion hastulatum)

Die speerartige Zeichnung gibt dieser Libelle ihren Namen

Torf-Mosaikjungfer
(Aeshna juncea)

Eine große Libelle über moorigen Gewässern



Weitere Arten

Blutrote Heidelibelle
(Sympetrum sanguineum)

Knallrote Libelle an Tümpeln und Seen

Gefleckte Heidelibelle
(Sympetrum flaveolum)

Eine rote Libelle mit markantem Fleck an der Flügelbasis

Gefleckte Smaragdlibelle
(Somatochlora flavomaculata)

Eine seltene mittelgroße Libelle an bewachsenen Stillgewässern

Gemeine Winterlibelle
(Sympecma fusca)

Überwinterer in der heimischen Libellenfauna

Große Pechlibelle
(Ischnura elegans)

Möglicherweise die häufigste Libellenart in Deutschland

Herbst-Mosaikjungfer
(Aeshna mixta)

Eine spät auftretende Großlibelle an Weihern mit Schilfgürtel

Hufeisen-Azurjungfer
(Coenagrion puella)

Eine unserer häufigsten Azurjungfern

Kleine Binsenjungfer
(Lestes virens vestalis)

Eine zierliche Binsenjungfer mit Vorliebe für sonnige Gewässer

Schwarze Heidelibelle
(Sympetrum danae)

Schwarze Libelle an Teichen der Mittelgebirge

Sibirische Winterlibelle
(Sympecma paedisca)

Seltene Schwesternart mit für Libellen ungewöhnlichem Lebenszyklus

Sumpf-Heidelibelle
(Sympetrum depressiusculum)

Eine Heidelibelle an sumpfig-moorigen Gewässern

Vierfleck
(Libellula quadrimaculata)

Die Großlibelle mit den namensgebenden Flügelflecken

Zierliche Moosjungfer
(Leucorrhinia caudalis)

Seltene Großlibelle mit hellen Hinterleibsanhängen


Amphibien & Reptilien in diesem Lebensraum

Säugetiere in diesem Lebensraum

Heuschrecken in diesem Lebensraum

Wanzen in diesem Lebensraum

Referenzlisten:

Natura2000: Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen

EUNIS 2021/22: European Nature Information System (EUNIS; deutsch Europäisches Naturinformationssystem). EUNIS marine habitat classification (Updated version March 2022), EUNIS terrestrial classification (Updated 2021)

EuroVegChecklist: Bergmeier E. (2020) & Mucina et al. (2016)

Bergmeier E. (2020): Die Vegetation Deutschlands – eine vergleichende Übersicht der Klassen, Ordnungen und Verbände auf Grundlage der EuroVegChecklist. Tuexenia 40: 19–32.

Mucina L., H. Bültmann, K. Dierßen, J.-P. Theurillat, T. Raus, A. C arni, K. Š umberová, W. Willner, J. Dengler, R. Gavilán García, M. Chytrý, M. Hájek, R. Di Pietro, D. Iakushenko, J. Pallas, F.J.A. Daniëls, E. Bergmeier, A. Santos Guerra, N. Ermakov, M. Valachovic , J.H.J. Schaminée, T. Lysenko, Y.P. Didukh, S. Pignatti, J.S. Rodwell, J. Capelo, H.E. Weber, A. Solomeshch, P. Dimopoulos, C. Aguiar, S.M. Hennekens & L. Tichý (2016): Vegetation of Europe: hierarchical floristic classification system of vascular plant, bryophyte, lichen, and algal communities. Applied Vegetation Science, Vol. 19, Supplement 1: 1-264.

Ellenberg, H. & Leuschner, C. (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen, 6. Aufl., Stuttgart: 1357 S.

Delarze R., Gonseth Y., Eggenberg S., Vust M. (2015): Lebensräume der Schweiz. Ökologie - Gefährdung - Kennarten. 3. Auflage 2015. 456 Seiten.

Finck, P., Heinze, S., Raths, U., Riecken, U., Ssymank, A. (2017): Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands – dritte fortgeschriebene Fassung 2017. Naturschutz und Biologische Vielfalt 156, 460 S.

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Referenzlisten

Bezüge zu anderen Listen:
Ellenberg & Leuschner (2010) 1.8.1.1, 1.8.2.2
Finck et al. (2017) 36.03, 36.04, 36.05
EUNIS 2021/22 Q11, Q21, T16
EuroVeg-Checklist 12PB01B, 12PB02B
Delarze et al. (2015)
Natura 2000 7120
Häufigkeit selten

Online: https://www.deutschlands-natur.de/lebensraeume/moore/noch-renaturierungsfaehige-degradierte-hochmoore/
Datum: 19.03.2024
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