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Konventionelle Landwirtschaft und Landlebensräume
Die heute überwiegend praktizierte agroindustrielle Landwirtschaft hat dafür gesorgt, dass innerhalb weniger Jahrzehnte ein großer Teil der typischen Flora und Fauna von unseren Äckern und Wiesen verschwunden ist und viele Arten so stark dezimiert wurden, dass sie auf den Roten Listen gelandet sind. Durch die Intensivierung des Anbaus auf Äckern sind zuerst die ohnehin seltenen Arten verschwunden, seit etwa 30 Jahren verschwinden die Allerweltsarten wie Rittersporn, Rebhuhn oder Feldgrashüpfer. So hat das Rebhuhn in den letzten 35 Jahren nach aktuellen Studien um etwa 90 Prozent seiner Bestände eingebüßt. Übersehen wird bei dem Wert, dass das Rebhuhn von 1950 bis 1980 wahrscheinlich ebenfalls schon 80 Prozent seines ehemaligen Bestands verloren hat. Rechnet man das zusammen, dürften zwischen 1950 und 2015 ca. 99 Prozent der Gesamtpopulation verschwunden sein (Quelle: Gottschalk, E. & W. Beeke (2014): How can the drastic decline in the Grey Partridge (Perdix perdix) be stopped? Lessons from ten years of the Grey Partridge Conservation Project in the district of Göttingen. Ber. Vogelschutz 51: 95–116)
„Was ist das für eine Gesellschaft, deren Essen von Feldern kommt, auf denen nichts mehr lebt“
Nicht viel besser sieht es auf unseren Mähwiesen aus. Hier wurden zwar die Arten nicht ausgerottet und sind bisher auch kaum auf den Roten Listen, jedoch ist die Fläche der artenreichen Wiesen in den letzten 70 Jahren um etwa 85 % zurückgegangen. Der größte Teil ist durch Intensivierung der Wiesen hin zu artenarmen Fettwiesen oder Umwandlung in Ackerland oder Wald verschwunden. Bei den Feucht- und Nasswiesen sieht es noch schlechter aus, da hier im Gegensatz zu den normalen Mähwiesen viele seltene Arten, Pflanzen wie Tiere, durch Melioration, Entwässerung, Düngung und häufigen Schnitt auf der Strecke geblieben sind, bei den Vögeln auch Flaggschiffarten des Naturschutzes wie der Große Brachvogel, die Wiesenweihe oder das Braunkehlchen.
"Warum wirtschaftet unsere Landwirtschaft auf eine Art, die immer mehr Ertrag auf immer kleinerer Fläche erbringt, wovon ein Großteil nicht zur menschlichen Ernährung, sondern zur Energieerzeugung und als Viehfutter verwendet wird, während alles andere Leben auf Wiesen und Feldern durch diese Bewirtschaftung an den Rand der Ausrottung gebracht wird oder bereits ausgerottet wurde?"
Intensivierung der konventionellen Landwirtschaft, Agrarpolitik der EU, gewachsene Einflussnahme von Industrieagrarlobby, chemischer und Saatgut-Industrie, sowie Aufrüstung von Technik, Entwässerung und chemischer „Hilfsstoffe“ haben erhebliche Folgen für die Organismen auf Äckern und Mähwiesen:
Folgen der konventionellen Landwirtschaft
Äcker
Aus der Entwicklung der Flächenbewirtschaftung resultieren gravierendste Folgen für die ehemals sehr hohe Biodiversität auf Äckern:
- Die Gruppe der Ackerwildkräuter enthält die meisten ausgestorbenen Arten (15-18)
- 20 % der ausgestorbenen Arten in Deutschland sind Ackerwildkräuter
- Die mittlere Deckung der Wildkräuter in Äckern ist in 70 Jahren von 30 auf 3 % gesunken
- Die mittlere Artenzahl ist von 24 auf 7 gesunken
- In Deutschland sind von ca. 220 Ackerwildkrautarten 50 % auf mindestens einer roten Liste (Bundesland oder BRD)
- Zuerst sind die ohnehin seltenen verschwunden, seit den 1970ern verschwinden viele „Allerweltsunkräuter“, mit ihnen die Allerwelts-Ackerfauna
- Ackerwildkräuter sind die am stärksten zurückgegangene Pflanzengruppe in Mitteleuropa.
- Feldvögel und Insekten haben genauso dramatisch abgenommen wie Wildkräuter. Es trifft in den letzten 30 Jahren v.a. die (ehemals) häufigen Arten
- Keine Vogelart hat stärker abgenommen als das Rebhuhn (> 90 %)
- Die EU-Indikatoren für die Biodiversität (HNV und FBI) nehmen kontinuierlich ab
Folgende Tabelle zeigt die Zusammenhänge zwischen konventioneller Landwirtschaft und Auswirkungen auf Ackerlebensräume:
Maßnahme / Praxis | Negative Auswirkungen |
---|---|
Technisierung 1960er und 70er Jahre | Immer größere Schlepper, Tiefpflug, Mähdrescher, Saatgutreinigung und Striegel führen zu weniger Wildkrautsamen im Saatgut, Zerstörung von Rhizomgeophyten, Bodenverdichtung |
Flurbereinigung (v.a. in den 1970er Jahren) | Großflächige für die Biodiversität verheerende Vernichtung von Strukturelementen und damit Lebensräumen in der gesamten deutschen Feldflur, besonders vor Einführung der Eingriffsregelung, Egalisierung der Agrarlandschaft |
Fruchtwechselreduktion | Sehr enge Fruchtfolgen und Monokulturen, dadurch starke Reduktion der Ackerlebensraumtypen bzw. -bedingungen |
Sortenänderung durch Zucht | Erhöhung der Saatdichten (mehr Fungizide nötig!) und sehr ertragreiche Sorten, dadurch höhere Konkurrenzkraft und Unterdrückung der Wildkrautflora. Da viele Hochleistungssorten weniger widerstandsfähig sind als alte Sorten, sind zudem höhere Pestizidgaben notwendig. |
Hybridsorten durch weltweit wenige konventionelle Saatguterzeuger | Kein Nachbau durch Verwendung von eigenem Saatgut möglich („F1-Hybriden“) und z.T. verboten (Saatgutpatente) |
Chemische Halmverkürzer | Noch dichtere Saat möglich, weniger Witterungsschäden, Verstärkung der Konkurrenzkraft der Ackerfrucht. Mehr Fungizide notwendig. |
Mineraldünger und (zu viel) Gülle statt Mist | Stärkeres Wachstum der Ackerfrucht, höhere Konkurrenzkraft durch dichteres Wachstum und höhere Biomasse. Viel zu große Güllemengen aus Massentierhaltung wird auch Äckern und Wiesen „verklappt“. Nährstoffanreicherung in Grundwasser (Trinkwasserproblem) und in Fließ- und Stillgewässer führt zum Verschwinden von Arten, die an sauerstoffreiche und/oder klare Gewässer angepasst sind wie z.B. viele Saprobien, Armleuchteralgen oder die Bachmuschel. |
Energiepflanzen statt Nahrungs-/Futtermittel | Reduktion der Feldfrüchte, Vergrößerung der Ackerflächen auf Kosten der Wiesen aufgrund höherer Gewinnmargen von Energiepflanzen i.Vgl. zu Viehhaltung |
Untersaat / Zwischenfrucht / Winterbegrünung | Unterdrückung der Wildkräuter und Verhinderung deren Ausreifung (positiv: Erosionsschutz) |
Früher Umbruch der Stoppelfelder | Verhinderung der Ausreifung der Ackerwildkräuter |
Roundup (Glyphosat) statt Pflug | Das in den Medien sehr präsente Glyphosat ist ein Gift für die chemischen Unkrautbekämpfung (statt mechanischer Unkrautbekämpfung). Es führt - neben anderen Herbiziden - zur völligen Vernichtung der Begleitflora und damit Vernichtung der Lebensgrundlagen (Wirtspflanzen) aller an Ackerwildkräuter angepassten Tierarten |
Drainage und Auffüllung | Beseitigung feuchter Äcker und Ackerstellen mit weitgehender Vernichtung der ehemals sehr artenreichen Feuchtackerflora, Standortnivellierung bzw. -vernichtung |
Baumwolle statt Flachs | komplette und europaweite Auslöschung der gesamten speziellen Flachsunkrautflora mit allen zugehörigen Arten (alle heute Rote Liste 0) |
Aufgabe + Aufforstung Grenzertragsböden | Beseitigung der artenreichsten Ackerwildkrautstandorte und -gesellschaften und deren zugehöriger Fauna |
Pestizide (Herbizide, Insektizide, Fungizide) | Wiederholte und dauerhafte Dezimierung und Ausrottung an Äcker angepasster Arten, neben echten Schädlingen auch unschädliche Arten und Nützlinge (Stichwort Bienensterben durch Neonikotinoide, Verhungern von Jungvögeln, mögliche Direktwirkung auch auf Vögel). Verdriftung der PSM bei Wind (auch auf Bioäcker), ungeklärte Gesundheitsschädlichkeit (Glyphosat), Indirekte Wirkung von Glyphosat durch Nahrungsmangel für Insekten und damit für Vögel. Mehr Fungizide durch dichtere Saat. Druck durch Saatgut-Oligopole und Agrochemiefirmen. |
Basisprämie der Agrarförderung | EU-Förderung der Bewirtschaftung nach dem Gießkannenprinzip mit geringen Auflagen, bis 2014 (Greeningstart) komplett ohne Umweltauflagen |
Entkoppelung von Tierzahl und Fläche | Bau riesiger Ställe für Massentierhaltung mit zugehörigen Umwelt- und Tierschutzproblemen, „Entsorgung“ gigantischer Güllemengen mit negativen Auswirkungen auf das Grundwasser durch gesundheitsschädlich erhöhte Nitratwerte in den „Problemregionen“ . Zudem Einfuhr großer Mengen Futtermittel, z.T. Genetisch verändert, aus Übersee mit Erzeugung neuer Probleme (Landraub, Raubbau, illegale Abholzungen...) in den Herkunftsländern |
Wirkungsloses Greening | Greening wird von der Agrarlobby gerne als positives Beispiel von Umweltmaßnahmen genannt: „Ökologische Vorrangflächen (ÖVP)“ werden vermeintlich weniger intensiv für die Natur genutzt. Praktisch haben die am meisten genutzten Maßnahmen (Zwischenfrucht u. Leguminosenanbau) keinen positiven Effekt auf die Diversität. Beim Leguminosenanbau als ÖVF waren bis 2017 sogar Pestizide erlaubt! |
Wirkungsloses Cross Compliance | Minimalregelungen in FFH- und Vogelschutzgebieten. Andere Regelungen z.T. kontraproduktiv (Mulchpflicht oder Grubberverbot auf Brachen). |
Flächige Bewirtschaftung | Mit den Flächenstilllegungen der 1990er Jahre im Zuge der Überproduktionen wurden viele Lebensräume für Feldvögel und Insekten geschaffen. Seit der Abschaffung der Stilllegungsprogramme wird die Flur wieder viel flächendeckender bewirtschaftet und Tiere wie das Rebhuhn kommen in immer größere Bedrängnis durch fehlende Deckung und der Prädationsdruck ist enorm gestiegen. |
„Gute fachliche Praxis“ erlaubt | Dieser „Landwirtschaftsklausel“ genannte Ausdruck gilt immer noch im BNatSchG und wurde nie definiert, mit der Folge, dass sehr viel erlaubt ist und jedes Gericht anders entscheiden kann. |
Vermehrter Fleischkonsum und Preisdruck durch Discounter, Verbraucher und Molkereien | Vermehrte Massentierhaltung mit zugehörigen Problemen: Tierschutz, Güllemengen, zu hoher und prophylaktischer Antibiotikaeinsatz, Landraub für Futteranbau in der 3. Welt, z.T. mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Landwirte bleiben im Fleisch- und Milch-Preiskampf nur 3 Möglichkeiten: Aufgabe, Vergrößerung mit Rationalisierung und Umstellung auf Bio. |
Wiesen
Wiesen haben im Prinzip ähnliche Entwicklungen hinter sich wie Äcker. Zwar beherbergen normale frische Mähwiesen immer noch zum Glück kaum seltene Arten, jedoch nimmt erstens die Fläche von Grünland im Allgemeinen und artenreichem Grünland im Besonderen seit 50 Jahren kontinuierlich ab.
Seltene Arten finden sich auf feuchteren und trockeneren Grünlandgesellschaften, die noch stärker abgenommen haben als „normale“ frische Glatthaferwiesen. So ist das ehemals gedüngte Nassgrünland, die sogenannten „Sumpfdotterblumenwiesen“ klammheimlich mehr oder weniger ausgestorben. Sie waren vor 30 Jahren offenbar schon so selten geworden, dass sie bei der Zusammenstellung der FFH-Lebensraumtypen des Anhangs I, für deren Erhalt Deutschland eine hohe Verantwortung hat, Ende der 1980er Jahre durch die „Experten“ der damaligen BfANL glatt vergessen wurden.
Folgende Tabelle zeigt die Zusammenhänge zwischen konventioneller Landwirtschaft und Auswirkungen auf Mähgrünland:
Maßnahme / Praxis | Negative Auswirkungen |
---|---|
Umbruch in Acker | (in Bayern seit den 1980er Jahren über 30 %), trotz Greening kein gesetzlicher Stopp von Grünlandumbruch durch die EU |
Nutzungsaufgabe oder Aufforstung unrentabler und schwer zu bewirtschaftender Wiesen | hat v.a. die ökologisch wertvollsten artenreichen Wiesen getroffen |
Entwässerungen/Drainagen | Rückgang/Verschwinden aller Nass- und Feuchtwiesenarten, komplettes Verschwinden der Sumpfdotterblumenwiesen |
Verstärkte Düngung, v.a. durch Mineraldünger und Gülle | Förderung konkurrenzstarker Arten, kein Samennachschub durch Mist |
Einsaat weniger Arten | gezielte Hochleistungs-Grünlandarten verdrängen die Konkurrenz, an Pflanzenarten angepasste Insekten (die auf best. Arten angewiesen sind), verschwinden, Nahrungsspektrum für Vögel, v.a. in der Brutzeit, schwindet stark |
Vorverlegung der 1. Mahd von ehemals Mitte Juni auf Anfang Mai | Verminderte Samenausreifung, Mahd in der Hauptbrutzeit von Bodenbrütern, Zerstörung von Nestern und Jungvögeln von seltenen Arten, Bodenbrüter weichen aus Not tlw. in Äcker aus |
Immer schnellere, breitere und effizientere Mähwerke | Kreiselmäher statt Messerbalken und Mahd von außen nach innen mit immer höherer Geschwindigkeit töten einen Großteil der Insekten, die in die Schürzen des Mähwerks geraten. |
Zu spätes Walzen oder Abschleppen in der Brutzeit | Zerstören von Gelegen der Bodenbrüter |
Nutzung jedes Quadratmeters bis zum Rand, | Zerstörung der Feldraine, keine Rückzugsräume mehr für Rebhuhn, Kleinsäuger, Insektenlarven/-puppen usw. |
Erhöhung der Schnittzahl (bis zu 7 im Allgäu) | Entkoppelung von biologischen/phänologischen Gegebenheiten, keinerlei Samenausreifung |
Nivellierung des Reliefs zur leichteren Bearbeitung | Nivellierung der Standortvielfalt |
EU-Förderung (1. Säule) auch bei (erlaubtem) Umbruch oder Intensivierung von ehemals artenreichen Mähwiesen | Verminderung der Biodiversität wird staatlich gefördert |
Vernichtung von Grünland“inseln“ in Ackerräumen durch Flurbereinigung | Verringerung der Biodiversität durch Standortangleichung |
Wenig wirkungsvolle Grünlandumbruchsverbote in Cross Compliance (CC) und Greening | Durch Festlegung neuer Referenzjahre in CC wurden nach erstem Stopp in einigen Bundesländern neue Umbrüche ermöglicht. Übernahme der (an sich guten) Grünlanderhaltsregeln ins Greening gilt nur für einen kleineren Teil der Betriebe. Umbruch von „neu entstandenem“ Grünland leichter möglich als von „altem“. |