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Hutewälder
Hutewälder sind Wälder, die auch oder ausschließlich als Weide zur Viehhaltung genutzt werden oder wurden. Als Vieharten können Schweine, Ziegen, Schafe, Rinder und Pferde genannt werden.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts spielt die Waldweide in Deutschland keine nennenswerte wirtschaftliche Rolle mehr, auch wenn noch Anfang des 20. Jahrhunderts z.B. in Regionen mit Niederwaldwirtschaft manchmal noch Rinder in den Hauberg geschickt wurden. Heute findet man Hutewälder nur noch als Projekte des Waldnaturschutzes oder aus kulturhistorischen Gründen. Bedeutende Hutewald-Naturschutzprojekte, in deren Rahmen Waldflächen extensiv mit Rindern und Pferden beweidet werden, sind zum Beispiel der Hutewald im Naturpark Solling-Vogler oder die "Wilden Weiden im Taubergiessen" bei Kappel -Grafenhausen.
Hutewälder sind aus Naturschutzsicht bedeutsam: Durch den Gehölzverbiss oder das Schubbern des Viehs entstehen krumme Baumformen mit Mikrohabitaten wie Höhlen und Totholz. Bis heute bestehende historische Hutewälder weisen daher meist besonders viel Alt- und Totholz und eine hohe Artenvielfalt spezialisierter, holzbewohnender Insekten- und Pilzarten auf („Urwald-Reliktarten“). Anders als herkömmliche Wirtschaftswälder, sind Hutewälder meist deutlich lichter mit einer höheren Diversität an Wuchshöhen und Gehölzarten. Das ist z.B. für Vogelarten interessant. Weitere Einflüsse des Viehs umfassen etwa die Schaffung von Rohboden oder auch der den Dung der Tiere. Solche Kleinstrukturen sind ist ein eigener Lebensraum für zahlreiche Organismen.Tiere, Pilze und Pflanzen. Lichtliebende Waldarten wie der Frauenschuh haben vermutlich historisch von der Waldweide profitiert. Entscheidend für das Vorkommen seltener Arten ist heute vor allem der Erhalt der Kontinuität der vorhandenen Altbaum- und Lichtwaldstrukturen.
Verbreitung
Traditionelle, fortgeführte Hutewaldprojekte gibt es in Deutschland kaum noch. Nennenswert ist hier insbesondere Baden-Württemberg. Vereinzelt wird zudem die Re-Etablierung von Waldbeweidung auf historischen Hutewaldflächen durchgeführt.
Gefährdung
Die Hutewald-Bewirtschaftung ist ein jahrhundertealtes und heute selten gewordenes agroforstliches Nutzungssystem. Restflächen von Hutewäldern nehmen durch den Wegfall der historischen Nutzung zusammen mit ihrer schützenswerten Biodiversität an spezialisierten Tier- und Pflanzenarten sowie Alt- und Lichtwaldstrukturen immer weiter ab. Dieser Abnahmeprozess ist weitgehend irreversibel, da die meisten Faktoren und Prozesse, die in der historischen Kulturlandschaft zur Entstehung der Hutewälder mit ihrer charakteristischen Biodiversität geführt haben, heute nicht mehr wirksam sind. Für die in Hutewäldern vorkommenden, häufig hoch spezialisierten Arten ist die Kontinuität ihrer Lebensraumbedingungen entscheidend. Diese bestand mit der Waldweide über Jahrhunderte und geht mit Sukzession des eigentlichen Lichtwaldtyps Hutewald verloren. So verschwinden auch die daran gebundenen Arten.
Die Re-Etablierung von Beweidungssystemen, die sich an der historischen Nutzung orientieren, stellt unter heutigen Rahmenbedingungen eine große Herausforderung dar. Gründe dafür sind insbesondere fehlende Beratung oder Leuchtturmprojekte, rechtliche Unsicherheiten und eine fehlende wirtschaftliche Rentabilität. Daher finden sich hierfür nur wenige Beispiele in Deutschland und im übrigen Mitteleuropa. Eine Wiederaufnahme der Beweidung ist jedoch die einzige Möglichkeit, Hutewälder mit ihrer Kontinuität und ihren typischen Arten und Strukturen nachhaltig zu sichern und auf Teilflächen – in der Regel im räumlichen Kontext mit bestehenden Hutewäldern – neu zu entwickeln oder bestehende Biotopinseln zu vernetzen.
Quelle: www.nw-fva.de/forschen/projekte/hutewald
In Nordeuropa gibt es zwei FFH-Lebensraumtypen (LRT), die Hutewälder und die Übergänge zu locker bestockten Weiden fassen. Das sind die LRT 9070 - "Fennoscandian Wooded Pastures" und LRT 6530 - "Fennoscandian Wooded Meadows". Nach der Einschätzung der Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) gibt es keine großen Unterschiede zu gut erhaltenen Hutewäldern in Deutschland.
Auch, wenn die zuvor genannten LRT nicht für Deutschland gelistet werden, ist die Relevanz von Hutewäldern für den Naturschutz groß. Zudem sind Wald-Lebensraumtypen mit Eiche, wie 9160 (Subatlantischer oder mitteleuropäischer Stieleichenwald oder Eichen-Hainbuchenwald), 9170 (Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald Galio-Carpinetum) oder 9190 (Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur) häufig aus Hutewäldern hervorgegangen. Der Naturschutz in diesen Gebieten beschäftigt sich heute häufig mit den Fragen, wie die Gebiete erhalten und eine Eichenverjüngung in diesen LRT gefördert werden kann – Fragen, in deren Beantwortung die Waldweide durchaus einbezogen werden sollte.
Die o.g. Versuchsanstalt arbeitet in einem Forschungsprojekt "Hutewälder – Verbreitung, Biodiversität und Strategien zur Re-Etablierung einer agroforstlichen Waldnutzung". Vgl. auch:
- Wolbeck et al. (2024): Perspektiven historischer Hutewälder in Nordwestdeutschland. Artenschutzreport, Heft 51/2024
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Referenzlisten: