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Ökologisch bewirtschaftete kalkarme Getreideäcker mit ihren Wildkräutern

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Ökologisch bewirtschaftete kalkarme Getreideäcker mit ihren Wildkräutern

Artenreiche Äcker können nur entstehen, wenn sie weder mit Pestiziden behandelt, noch überdüngt werden, sie sind also kaum in der konventionellen Landwirtschaft zu finden. Vielmehr handelt es sich vor allem um Äcker auf schlechten bis mittleren Böden, die ohne Gifte, z.B. in der ökologischen Landwirtschaft, bewirtschaftet werden. Nur wenn sie im Rahmen von Agrarumweltprogrammen von Pestizid- und Mineraldüngereinsatz verschont bleiben, können auch die Ränder konventioneller Äcker sehr seltene Arten enthalten.

Die spezielle Nutzungsform a) als Getreideacker - es gibt charakteristische Abfolgen, wann der Boden bearbeitet wird, wann gesäht und wann geerntet wird - und b) kalkarmen Standorten, bewirkt, dass eine speziell angepasster Wildkräuterbewuchs entsteht. Zu diesen Pflanzenarten gehören beispielsweise die auf den Foto vom erkennbaren Echte Kamille (Matricaria recutita), Acker-Löwenmaul (Misopates orontium, klein, rosa links der Bildmitte), verschiedene Mohnarten (Papaver spp.) und Kletten-Labkraut (Galium aparine). Darüber hinaus sind typische Arten Acker-Fuchsschwanz (Alopecurus myosuroides), Kornblume (Centaurea cyanus), Acker-Vergissmeinnicht (Myosotis arvensis), Gewöhnlicher Ackerfrauenmantel (Aphanes arvensis), Viersamige Wicke (Vicia tetrasperma) oder Roggen-Trespe (Bromus secalinus).

Zusammen mit den Pflanzen treten natürlich auch Tierarten in diesen Lebensräumen auf. Unter den Wirbeltieren kann man Wachtelkönig, Rebhühner und Feldhamster als typische Arten nennen. Auch viele Insekten, z.B. aus den Gruppen der Laufkäfer oder Schmetterlinge, profitieren vom Pflanzen-Artenreichtum.

Bildergalerie von typischen Pflanzenarten in diesem Lebensraum

Acker-RingelblumeKleine BrennnesselKnollen-PlatterbseKornblume

Verbreitung

Ökologisch bewirtschaftete kalkarme Getreideäcker mit ihren Wildkräutern sind in Deutschland selten geworden, können aber im Prinzip überall auftreten, wo Ackerwirtschaft auf sauren Böden betrieben wird. Artenreiche saure Sandäcker kommen kleinflächig und vereinzelt vor allem in den nord- und nordostdeutschen Sandebenen vor, sowie noch vereinzelter im Süden auf Buntsandstein sowie auf Keuper- und Terrassensanden.

Feuchtäcker bzw. Feuchtmulden in Äckern findet man überwiegend auf den großen Ackerschlägen in Ostdeutschland, hier v.a. in der geologisch und hydrologisch sehr heterogenen Grundmoränenlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Ökologie

Um zu verstehen, welche Bedeutung diese Äcker für unsere Natur haben, muss man sich die Geschichte in Erinnerung rufen. Viele Lebensräume - z.B. die meisten Grünlandbiotope - sind in ihrer Entstehung auf den Menschen zurückzuführen. Dies gilt verständlicherweise insbesondere für Ackerflächen. Über Jahrtausende menschlicher Ackerwirtschaft haben sich viele Pflanzenarten auf eben jene Nutzung eingestellt und auf Äckern "ihren" Lebensraum gefunden; man spricht von der Ackerwildkrautflora, welche auf den Ackerflächen oder an den Ackerrändern wächst. Diese Pflanzenarten benötigen natürlich Anpassungen, um die doch gravierenden Eingriffe durch den Menschen gut zu überstehen, z.B. eine gewisse Robustheit was Bodenverletzungen betrifft oder z.B. Anpassungen des Lebenszyklus an die jährliche Nutzungsabfolge. Auch der abgeerntete Acker ist plötzlich ein extrem ungeschützter Lebensraum, auch damit müssen die Pflanzen zurechtkommen. Andererseits sind alle diese Pflanzen auf die Bodenbearbeitung angewiesen und gehen verloren, wenn sich die Landnutzung ändert (s.u.)

Gefährdung

Artenreiche Äcker sind allgemein sehr seltene und gefährdete Lebensräume, welche vom Naturschutz über lange Zeit "vergessen" wurden. Keine andere Pflanzengruppe hat in den letzten Jahren solche Verluste hinnehmen müssen, wie die der Ackerwildkräuter. Viele Arten sind extrem selten geworden oder bereits ganz ausgestorben. Ungefähr die Hälfte aller Ackerwildkräuter in Mitteleuropa stehen auf der "Roten Liste" der gefährdeten Arten. Hierbei ist es egal, um welchen Bewirtschaftungstyp und welche Bodentyp es sich handelt, alle Äcker sind betroffen.

Es gibt eine klare Ursache für diese Situation: die moderne, konventionelle Landwirtschaft. Nutzungsänderungen, die in der Nachkriegszeit begannen und bis heute anhalten. Im Detail kann man verschiedene Faktoren nennen, welche für den Rückgang verantwortlich sind:

  • Einsatz von Pestiziden
  • Aufgabe von Äckern auf schlechtem Boden
  • Früher Umbruch von Stoppelfeldern (Getreideäcker)
  • Aufgabe bestimmter Feldfrüchte (z.B. Flachs, Buchweizen)
  • Anbau von wenigen Hochleistungssorten
  • Drainage feuchter Standorte
  • Engere Fruchtfolge
  • Einsatz von Mineraldünger
  • Bessere Saatgutreinigung
  • Intensivere Bearbeitung der Äcker (z.B. tieferes Pflügen)

In den letzten Jahren hat man die Bedeutung der Äcker als Lebensraum für seltene Ackerwildkräuter erkannt und Maßnahmen ergriffen, die Arten zu unterstützen. Dazu gehören beispielsweise Ackerrandstreifenprogramme, in denen Landwirte einen breiten Streifen der Äcker nicht mit Pestiziden behandeln und das Wachstum von Ackerarten ermöglichen. Auch ganze "Schutzäcker" werden angelegt, um einen Erhalt bestehender Arten und vielleicht Wiederbesiedlung mit lokal ausgestorbenen Arten zu ermöglichen. Diese Maßnahmen haben erfreulicherweise in vielen Regionen wieder zur Ansiedlung seltener Ackerwildkräuter geführt bzw. können mancherorts hoffentlich das Verschwinden seltener Arten verhindern.

Tagfalter in diesem Lebensraum

Fliegen in diesem Lebensraum

Amphibien & Reptilien in diesem Lebensraum

Säugetiere in diesem Lebensraum

Heuschrecken in diesem Lebensraum

Wanzen in diesem Lebensraum

Referenzlisten:

Natura2000: Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen

EUNIS 2021/22: European Nature Information System (EUNIS; deutsch Europäisches Naturinformationssystem). EUNIS marine habitat classification (Updated version March 2022), EUNIS terrestrial classification (Updated 2021)

EuroVegChecklist: Bergmeier E. (2020) & Mucina et al. (2016)

Bergmeier E. (2020): Die Vegetation Deutschlands – eine vergleichende Übersicht der Klassen, Ordnungen und Verbände auf Grundlage der EuroVegChecklist. Tuexenia 40: 19–32.

Mucina L., H. Bültmann, K. Dierßen, J.-P. Theurillat, T. Raus, A. C arni, K. Š umberová, W. Willner, J. Dengler, R. Gavilán García, M. Chytrý, M. Hájek, R. Di Pietro, D. Iakushenko, J. Pallas, F.J.A. Daniëls, E. Bergmeier, A. Santos Guerra, N. Ermakov, M. Valachovic , J.H.J. Schaminée, T. Lysenko, Y.P. Didukh, S. Pignatti, J.S. Rodwell, J. Capelo, H.E. Weber, A. Solomeshch, P. Dimopoulos, C. Aguiar, S.M. Hennekens & L. Tichý (2016): Vegetation of Europe: hierarchical floristic classification system of vascular plant, bryophyte, lichen, and algal communities. Applied Vegetation Science, Vol. 19, Supplement 1: 1-264.

Ellenberg, H. & Leuschner, C. (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen, 6. Aufl., Stuttgart: 1357 S.

Delarze R., Gonseth Y., Eggenberg S., Vust M. (2015): Lebensräume der Schweiz. Ökologie - Gefährdung - Kennarten. 3. Auflage 2015. 456 Seiten.

Finck, P., Heinze, S., Raths, U., Riecken, U., Ssymank, A. (2017): Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands – dritte fortgeschriebene Fassung 2017. Naturschutz und Biologische Vielfalt 156, 460 S.

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Referenzlisten

Bezüge zu anderen Listen:
Ellenberg & Leuschner (2010) 3.4.2.1
Finck et al. (2017) 33.02
EUNIS 2021/22 V13
EuroVeg-Checklist 12QA01A
Delarze et al. (2015) 8.2.1.1.
Natura 2000
Häufigkeit selten

Online: https://www.deutschlands-natur.de/lebensraeume/anthropogen/artenreiche-aecker/
Datum: 19.03.2024
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